(Beitrag für „Stadtanzeiger“, Leuna)
Die SPD-Fraktion begrüßt den Plan, in Zöschen eine Baracke, wie sie im ehemaligen Arbeitslager gestanden hat, symbolisch wieder herzustellen und sie für Ausstellungen, Gedenkveranstaltungen und Geschichtspädagogik zu nutzen. Da die Zwangsarbeit eng mit den Leuna-Werken und dem weiteren Lager Spergau verbunden war, ist dieses Projekt, angeregt vom Ortschaftsrat sowie vom Heimat- und Geschichtsverein Zöschen, für die Stadt passend und erhöht ihr Ansehen.
„Arbeitserziehungslager“ gehörten zum Terrorapparat der Nazidiktatur und dienten der Ausbeutung und Vernichtung von Zwangsarbeitern während des 2. Weltkrieges. Die Nazis errichteten sie meist in der Nähe von Industriebetrieben, die von der Schwerstarbeit der Häftlinge profitierten. Im Saalekreis gab es sie außer in Zöschen und Spergau noch in Schkopau, Schafstädt und Rothenburg. Im Lager Zöschen hatte die SS von August 1944 bis Kriegsende insgesamt ca. 1500 Zwangsarbeiter eingesperrt, die vor allem in den Leuna-Werken arbeiten mussten. Gedenksteine in der Zöschener Aue erinnern an 500 zu Tode gequälte Menschen aus ganz Europa.
Als (erst) ein halbes Jahrhundert nach der Befreiung die Geschichte der Lager in Deutschland aufgearbeitet wird, melden sich in Zöschen ehemalige holländische Gefangene und Angehörige. Anfangs nur als Gottesdienste geplant, werden die alljährlichen gemeinsamen Veranstaltungen bald zu einem gesellschaftlichen Ereignis im Landkreis. Engagierte Zöschener um Edda Schaaf, die zu dieser Zeit Bürgermeisterin ist, organisieren sie und stellen Konzepte für die Gedenkarbeit auf. Sie betreuen Schülergruppen, auch ausländische, die in Bildungsprojekten forschen, um Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Mittlerweile zu einem Verein zusammengeschlossen, suchen sie nach Zeitzeugen und recherchieren in alten Papieren zur Geschichte des Lagers. Die Ergebnisse veröffentlichen sie in Aufsätzen, Ausstellungen und Vorträgen. Mit Hingabe knüpft Edda Schaaf ein Netz von sich gegenseitig befruchtenden Verbindungen zwischen Gleichgesinnten, das bis ins Ausland reicht. So bildet sich im Laufe zweier Jahrzehnte eine Tradition des Gedenkens und der Bewahrung heraus, die auch in anderen Ländern wahrgenommen wird. In Sachsen-Anhalt ist Zöschen der bedeutendste Ort der Erinnerung an die Arbeitslager der Nazis.
Inzwischen wird ein geeigneter Präsentationsraum für die Aktionen des Vereins gebraucht. Das kürzlich hierfür vorgestellte Baukonzept überzeugt die SPD-Fraktion - besonders wegen seiner überzeugenden Symbolkraft:
Eine Lagerbaracke soll rekonstruiert werden, an der sich der Besucher die Unterkünfte in ihrer extremen räumlichen Enge vorstellen kann. Außerdem: Indem einige aus der damaligen Zeit noch erhaltene Betonteile wieder eingesetzt werden, die zudem von den Häftlingen selbst hergestellt werden mussten, erhält der Bau auch Authentizität. Die Baracke wird auf dem ehemaligen Druschplatz stehen, einem Ort, über den die Leichenkarren fahren mussten auf dem Weg zum eigens angelegten Friedhof in der Aue.
Unsere Fraktionskollegin Uta Nitsch kennt die Arbeit des Vereins und würdigt, dass er sich vor allem der politischen Bildung Jugendlicher widmet, denn als Schulsozialarbeiterin ist sie häufig mit Schulgruppen aus Bad Dürrenberg dort zu Gast. „Es wirkt immer wieder stark auf Schüler, wenn sie hören, dass grauenhafte NS-Geschichte sich direkt in unseren Orten abgespielt hat... Die Idee mit der Baracke ist deshalb gut, weil Lernen durch Anschauung immer die bessere Methode ist.“
Nach 68 Jahren gibt es nur noch wenige Stätten in Deutschland, die an die Zwangsarbeitslager erinnern. Im Sinne des verpflichtenden Wortes von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen erwächst daraus eine gemeinsame Verantwortung von Stadt und Verein.
Tilo Heuer